Einfluss eines Start-Stopp-Systems auf den Kraftstoffverbrauch

by Paul Balzer on 8. Januar 2012

3 Comments

Die umweltfreundlichen Bemühungen der Fahrzeughersteller haben in den letzten Jahren vermehrt so genannte Start-Stopp-Systeme auf den Markt gebracht. Sogar Kleinwagen werden mit Systemen ausgestattet, welche bei einem Ampelhalt den Motor unter bestimmten Bedingungen ausschalten und dann schnell wieder anlassen, sobald der Fahrer z.B. von der Kupplung geht. Die Frage ist, welche Einsparung kann solch ein System bringen?

Ist das eher Marketinggag oder ernst gemeinter Beitrag zur Kraftstoffverbrauchseinsparung?

Kraftstoffverbrauch

Streckenkraftstoffverbrauch bs

Der erste Stolperstein ist dahingehend zu beobachten, dass der Verbrauch eines Fahrzeugs in l/100km angegeben wird. Also verbrauchtes Volumen Kraftstoff pro zurückgelegter Strecke. Die Systeme arbeiten aber im Stillstand. Sie stoppen den laufenden Motor im Stillstand. Der zurückgelegte Weg ist dabei 0km. Die Formel für den Streckenkraftstoffverbrauch ist allgemein

b_s=\cfrac{b_e \cdot P_e}{\eta_T \cdot v \cdot \rho_K \cdot 10}

Darin sind be=effektive spezifische Verbrauch [g/kWh], η=Wirkungsgrad, v=Fahrgeschwindigkeit [km/h], ρ=Kraftstoffdichte [g/cm³], P=Leistung [kW]

In der Gleichung ist zu erkennen, dass die Geschwindigkeit im Nenner steht. Fährt man 0km/h, so ist der Streckenkraftstoffverbrauch theoretisch unendlich hoch.

\lim_{v \to 0}b_s=\infty

Was der Boardcomputer mit Momentanverbrauchsanzeige macht, wenn man langsamer wird: Er schaltet auf l/h, also den Verbrauch pro Zeiteinheit, um.

Verbrauch im Stillstand

Der Motor benötigt zum Laufen, selbst bei ruhendem Fahrzeug, Energie. Diese wird für die Nebenaggregate, Reibung und natürlich den Generator (Lichtmaschine) benötigt. Bei modernen Dieselfahrzeugen ohne aktiviertes Radio, Sitzheizung und Klimaanlage etc. kann dieser auf 0,4l/h sinken.

Vergleichbarkeit durch NEFZ

Um die Berechnungen untereinander vergleichen zu können, muss sich auf einen normierten, standardisierten Fahrversuch geeinigt werden. Ob dieser nun der Realität entspricht oder nicht. Dies ist in Europa mit dem NEFZ (Energieverbrauch gemäß RL 70/220/EWG), dem Neuen Europäischen Fahrzyklus geschehen. Bei diesem Zyklus wird folgendes Geschwindigkeitsprofil auf einem Rollenleistungsprüfstand abgefahren:

NEFZ-nach-RL70220EWG

Zu erkennen sind auch die Stillstandsphasen, vor allem während der ersten vier “Stadtzyklen”. Die Gesamtlänge der zurückgelegten Strecke während des 1180 Sekunden andauernden Zyklus’ ist 11km.

Berechnung des Einsparpotentials durch Start/Stopp Automatik

Wird nun der ermittelte Streckenkraftstoffverbrauch des Fahrzeugs auf die 11km Strecke des NEFZ umgerechnet, so ergibt sich

b_\text{s,NEFZ}=\frac{b_s}{100km}\cdot 11km

Die Stillstandszeit während des NEFZ beträgt 80s. Die in dieser Zeit verbrauchte Kraftstoffmenge ist

b_\text{t,NEFZ}=\frac{b_t}{3600} \cdot 80s

Für ein Fahrzeug, welches 10 L/100km verbraucht und welche 1 L/h im Stand benötigt, ergibt sich im NEFZ eine theoretische prozentuale Einsparung von

p=\cfrac{b_\text{t,NEFZ}}{b_\text{s,NEFZ}}=\cfrac{\frac{1L/h}{3600}\cdot 80s}{\frac{10L/100km}{100km}\cdot 11km}=2\%

In Abhängigkeit vom Durchschnittsverbrauch und dem Verbrauch im Stillstand, ergibt sich folgender Zusammenhang:

Einsparpotential-Start-Stopp-Automatik

[Download der Excel-Datei 28kB]

Fazit

Das Einsparpotential für Fahrzeuge mit geringem Durchschnittsverbrauch kann bis zu 5% betragen. Andere Fahrzyklen und Einsatzbedingungen können auch mal 7% ergeben. Je nach testendem Institut und Auftraggeber sind die Zahlen in der Presse zu finden. Hier wurde natürlich nur eine theoretische Betrachtung vorgenommen, in der Realität ist auch zu beachten, dass bei ausgeschaltetem Motor die elektrischen Geräte vom Akku gespeist werden müssen. Nach wieder angelaufenem Motor muss dieser den ausgegebenen Strom wieder nachladen und der Generator wird höher belastet. Ob die gesparte Energie während des Stillstands dann nicht doch wieder aufgezährt wird um den Akku zu laden, bleibt Geheimnis der Fahrzeughersteller.

3 Comments

  1. Hallo Paul,
    interessanter Artikel. Allerdings ist die Zeit im Stillstand nicht korrekt – die beträgt theoretisch 260 s. Davon ist aber nicht die ganze Zeit der Motor im automatischen Stopp, da es auch Phasen gibt in denen der Motor im Leerlauf (bei v=0) laufen muß.
    Wie lange der Motor im Zyklus aus ist herstellerabhängig (z.B. Citroen/PSA schalten den Motor bei < 20 km/h schon ab, andere bei < 5 km/h oder < 3 km/h). Auf jedem Fall länger als 80s – ich würde mal von 150 – 200 s ausgehen.
    Gruss Dirk

  2. Hallo Paul,
    da gebe ich Dirk recht.
    Die deutschen OEMs machen es meist so, dass mit Erkennen eines Stillstands und ausgekuppeltem Motor (kann auch schon bei <3 km/h) sein, der Motor ausgeht. Somit kannst Du Dir ganz gut ausrechnen wie lange der Motor insg. aus ist. Die ersten 2-3 Stillstandsphasen würde ich weg lassen, da der Motor da noch nicht auf Betriebstemp. ist und somit ein StSt-Verbot hat.
    Zum Fazit: Akku-Laden. Da der Strombedarf ja immer da ist, ob der Motor läuft oder nicht, muss diese Energie ja immer aufgebracht werden. Da jedoch der Motor in einem höheren Lastpunkt arbeiten muss, da zuvor in einer Stillstandsphase Energie aus der Batterie gezogen wurde, hat er zwangsläufig auch in einen besseren Wirkungsgrad bzw. spez. Verbrauch. Folglich ist das sogar noch ein weiterer Vorteil des StSt-Systems.
    In der Realität sind jedoch bei Stadtbetrieb nicht mehr als 3-4% Ersparnis drin. Bei einem Motor der nur 5L/100km verbraucht also nicht erwähnenswert, obwohl auch da die Summe (über Gesamtfahrstrecke) zählt.

    Gruß

  3. Ja, aber auch der Ladeverlust beim Laden der Batterie nach einer Stop Phase macht das Ganze System noch unwirtschaftlicher bzw. Weniger wirtschaftlich.

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