Anja Lorenz fragt, weshalb Leute aus dem Hochschulumfeld bloggen? Ich bin nun kein Professor, weshalb die Überschrift nicht ganz passend ist, aber ein bisschen mit Hochschullehre habe/hatte ich ja auch zu tun.
Deshalb ein paar Gedanken, weshalb es sich für mich lohnt.
Das Ideal des Menschen ist Quelle zu sein, nicht Senke. – Gunter Dueck beim JamCamp 2011
Damit könnte man es eigentlich schon beenden. Aber ein paar mehr Gründe gibt es doch noch, welche ich im folgenden ausführen möchte.
1. Kontinuierlicher Verbesserungsprozess durch Feedback
Man bekommt schon nach wenigen Monaten Lehre mit, dass immer wieder die gleichen Fragen von den Studierenden gestellt werden. Man merkt auch, dass immer wieder die gleichen Fehler gemacht werden. Man könnte also jedem Studierenden immer wieder im Detail aufmalen, wieso man keine verrauschten Signale differenziert oder wie man überhaupt numerisch differenziert – oder man schreibt es eben einfach 1x ordentlich auf und kann dann darauf verlinken. Die Abbildungen, die man für den Blog benötigt, kann man immer auch für die (Lehr-)PowerPoints nutzen.
Wenn etwas verbessert werden kann, weil man im Gespräch mitbekommt, dass das unklar formuliert ist, ist das natürlich jederzeit möglich. Das ist sozusagen der Regelkreis der Lehre, der zur kontinuierlichen Verbesserung des eigenen Verständnisses und der Lehrmaterialien beiträgt.
2. Steigerung der Produktivität
Kaum zu glauben aber wahr, wenn man sich die Zugriffsstatistiken einiger Beiträge anschaut, stellt man fest, dass oftmals Diplomanden/Praktikanten/Mitarbeiter großer deutscher Automobilhersteller auf einige Beiträge dieses Blogs zugreifen und dort wahrscheinlich den entscheidenen Anstoß finden, ihre eigenen Projekte/Abschlussarbeiten gelöst zu bekommen.
Ein großer Teil ist mit Sicherheit unentdeckt, denn nicht jeder Diplomand getraut sich, während der Arbeitszeit “im Internet zu surfen” und tut das dann privat am Abend. Die Anzahl der EMail Anfragen untermauert diese Aussage. Ja, ich helfe mit diesem Blog vielen Leuten ihr Zeug fertig zu bekommen. Die Top Liste ist:
- Numerische Integration mit Excel
- Frequenzspektrumanalyse mit Matlab
- Das Kalman Filter einfach erklärt
Ich bilde mir ein, dass damit eine Produktivitätssteigerung im nano-Promillebereich möglich ist und das ist gut für den Automobilstandort Deutschland.
3. Im Internet steht viel, aber nicht alles
Man denkt, dass ja prinzipiell schon alles im Internet steht. Wenn man aber genau ein Diagramm sucht, welches man zur Erläuterung benötigt, ist es nicht zu finden oder mit unendlich vielen Copyright § versehen. Da hilft nur eins: Selbst machen.
Danach ist es online und man kann es verwenden.
4. Die Weisheit der Vielen
Als Lehrender ist man in der Position, dass man ein breites Fachwissen haben sollte, denn die Fragen der Studierenden sind mannigfaltig. Dies kann man aber nicht in allen Bereichen haben, die Zeit zum Selbststudium ist begrenzt. Ein Ausweg ist, dass man zu einem Gebiet den eigenen Wissensstand formuliert und darauf hofft, dass Leute die mehr wissen, nicht im stillen Kämmerchen darüber lachen, sondern konstruktiv erweitern. Beispielhaft geschehen in den Kommentaren zu “Wie funktioniert ein Rollenleistungsprüfstand“.
Eine weitere Variante ist die Zusammenarbeit direkt beim Erstellen eines Artikels, einfach weil jeder hier und da noch einen Kniff hat. Beispielhaft beim Artikel zum Differenzieren verrauschter Signale mit Prof. Jörn Loviscach und Prof. Jörg Buchholz so geschehen.
5. Eigener Wissensspeicher immer verfügbar
Ein wichtiger Grund ist auch, dass einem ein Stück Code oder eine Excel-Vorlage auf der eigenen Festplatte zu Haus nichts bringt, wenn man mal schnell einem Studierenden etwas zeigen möchte. Ist der Code/Excel jedoch mit veröffentlicht, beispielsweise hier, hier oder hier, kann man direkt copy&paste machen und vorführen.
Immer wieder neu machen, obwohl man weiß, dass es schon mal gelöst war, nervt nämlich. Wenn man die Firma, den Arbeitsort, den Rechner oder das Land wechselt, so bleibt der Blog doch immer der Gleiche.
6. Interesse wecken / Forschungsprojekte akquirieren
Bedingt durch die Entwicklung der Hochschullandschaft in Deutschland (Abbau der Haushaltsstellen, Zunahme der Drittmittelstellen), wird ein Thema immer wichtiger: Das Auffinden der (Forschungs-)Themen durch Google & Co. Was bringt einem die beste Expertise, wenn man im seinen Keller sitzt und niemand weiß, dass man existiert und das Problem lösen kann? Was bringt einem Lehrstuhl, einer Fakultät oder einem wissenschaftlichen Mitarbeiter/Professor die ganze Expertise, wenn keine Firma darauf aufmerksam wird, um es für eigene Produkte, Produktverbesserungen oder Forschungsprojekte anzuwenden? Dann läuft eine Hochschule im ausschließlichen Lehrlauf und die Professoren zeigen irgendwann Jahrzehnte alte Forschungsergebnisse in der Vorlesung, was auch nicht zielführend für die Qualität der Lehre ist.
Wenn man also bei Google & Co. zu einem bestimmten Thema gut gelistet ist, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass ein Einkäufer/Geschäftsführer einer Firma, der auf der Suche nach externem KnowHow ist, auf einen aufmerksam wird. Auf diese Weise haben wir im Labor für Fahrzeugmechatronik schon das ein oder andere Forschungsprojekt bekommen können. Außerdem nutzt der Professor die Webseite statt einer Powerpoint, wenn er unterwegs ist und zeigen möchte, was wir da so tun.
7. Kommunikation mit den Studierenden
Nicht jeder Hochschulmitarbeiter/Professor wird von den Studierenden in die facebook-Gruppe eingeladen. Nicht alle Studierenden eines Jahrgangs sind in einer Gruppe oder bei facebook/Google+, sodass es kompliziert ist, alle zu erreichen.
Ein EMail Verteiler ist eine Möglichkeit, doch darin viele Inhalte zu packen ist auch nicht sehr ansehnlich. Wir haben zur Ankündigung für das Praktikum mit den Studierenden einfach die Infos in den Blog gepackt und nur auf die Seite verwiesen.
Dies ist auch gut um mit anderen Kollegen in einen positiven Wettstreit über die Qualität der Lehre zu treten, denn nur so geht es vorwärts!
8. Aktive Projektkommunikation
Der einfachste, aber auch einleuchtendste Punkt ist aber schlichtweg die Kommunikation an sich. Man informiert darüber, womit man sich so beschäftigt und wie die Fortschritte in einem Projekt sind.
Damit konserviert man das Wissen, welches im Laufe eines Projekts angehäuft wurde und macht es auch anderen Zugänglich, die vielleicht an einem ähnlichen Thema arbeiten. Nicht immer geht es ja mit Geheimhaltungsstufe 1000 zu an einer Hochschule.
Es gibt bestimmt noch viele andere Gründe, aber dies sind die wohl wichtigsten.
2 Comments
Herr Balzer,
gerade mit Punkt 1 haben Sie völlig Recht und ich freue mich über Ihr Engagement. Ich empfehle ihre Seite gerne weiter und hoffe, Sie haben noch lange Spaß und Energie für das bloggen.
…. noch ein offenes Feld – allen Punkten stimme ich zu und HTW Dresden kann künftig in allen Bereichen punkten.