Ich beginne diesen Beitrag mit einer kleinen Geschichte: Ich habe nach meiner Fachhochschulreife einen Beruf gelernt. Damit bin ich dann im Öffentlichen Dienst gelandet. Ein guter Freund von mir tat gleiches.
Nach einiger Zeit trennten sich unsere Wege, er blieb im ÖD, ich verließ die Stadtverwaltung. Nachdem ich dann einige Zeit im Jobnirvana rumgeirrt bin, fing ich an zu studieren und beendete dies 5 Jahre nachdem sich unsere Wege getrennt hatten. Studium heißt: Weniger Geld zur Verfügung als ein HartzIV Empfänger, mehr Party, mehr Erleben, mehr Schulden. Denn BaföG ist nicht geschenkt, sondern ein Teildarlehen des Staates. Ich habe nun 10.000€ Schulden und zudem 5 Jahre lang kein Gehalt bezogen.
Es ist Zeit für eine Bilanz: Lohnt sich das alles überhaupt?
Dafür muss man natürlich wissen, wie hoch das Einkommen vor/nach dem Studium ist. Dies lässt sich am einfachsten mit den Gehaltstabellen des Öffentlichen Dienstes berechnen.
Öffentlicher Dienst
Ich gehe bei dieser Rechnung davon aus, dass man vor dem Studium im Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) in der Entgeldgruppe 9 eingruppiert wird. Dies entspricht einer sehr guten Lohngruppe für “nicht studierte”. Nach dem Studium kann man mit einem Fachhochschulabschluss in die E10 eingruppiert werden. Mit Universitätsabschluss ist die E13 die Regel.
Bei Neueinstellung beginnt man in Stufe 1. Nach einem Jahr steigt man in Stufe 2. In den Folgejahren findet eine andere Regelung Anwendung.
Annahmen
- Alter zu Beginn der Rechnung: 18 Jahre (typisches Abituralter)
- Ausbildungsdauer 3 Jahre (danach E9)
- Studium FH: Dauer 4 Jahre (danach E10)
- Studium Uni: Dauer 6 Jahre (danach E13)
- Jahressonderzahlungen Ost
- keine Berücksichtigung von Ausbildungsvergütung oder BaföG
Der Fachhochschulstudent kann ungefähr an seinem 30. Geburtstag darauf anstoßen, jetzt in Summe das gleiche Einkommen erwirtschaftet zu haben, wie sein Kumpel, welcher nach der Ausbildung im Öffentlichen Dienst geblieben ist. Der Universitätsstudent muss damit bis zum 34. Geburtstag warten. Nicht zu vergessen ist, dass ein Student im Allgemeinen BaföG-Schulden zurückzahlen muss.
Normiert auf E9
Interessanter ist jetzt die Darstellung, wenn man das erwirtschaftete Brutto auf das Brutto des Angestellten in Entgeldgruppe 9 normiert. Das jeweilige kummulierte Brutto der E9 wird als 100% angenommen.
Aus dieser Darstellung lassen sich nun viele Aussagen ableiten:
- Die blaue Fläche veranschaulicht, dass mit einer Ausbildung zunächst einmal in jungen Jahren vergleichsweise (zu den Studenten) viel Geld verdient werden kann. Gerade in jungen Jahren hat es einen hohen Stellenwert mit einem neuen Auto, iPhone, T-Home Enternainment oder 42” LED TV zu protzen!
- Der FH Student muss gerade einmal 1 Jahr länger auf Einkommen verzichten, hat dafür einen akademischen Grad erworben. Die neuen Bachelor-Studiengänge verkürzen diese Dauer nochmal erheblich. Ab dem 30. Lebensjahr wird insgesamt mehr verdient als ohne Studium. Das Monatsgehalt ist natürlich ab dem 1. Tag höher.
- Der Universitätsstudent hat erheblich länger die Schulbank zu drücken, wird danach aber entsprechend entlohnt. Ab dem 34. Lebensjahr wird insgesamt mehr verdient.
Freie Wirtschaft
Mir liegen leider keine belastbaren Zahlen vor, um eine vergleichbare Rechnungen anzustellen. Ich würde mich freuen, wenn mir da etwas zugetragen wird. Einen Anhaltspunkt liefern die Zahlen von verschiedenen Firmen, welche den Arbeitsmarkt sondieren.
Zukünftige Perspektive
In einem so hoch entwickelten Land wie Deutschland, ist es relativ wahrscheinlich, dass das Arbeitsmarktrisiko für Nichtakademiker steigt. Dies ist in den letzten Jahren durchaus schon zu beobachten:
Fazit
Die Frage, ob sich ein Studium lohnt, lässt sich allein mit der Berechnung des Gehalts sicher nicht vollständig beantworten. In aller erster Linie ist ein Studium eine Erweiterung des Wissens. Dazu hat Gunter Dueck geschrieben:
“Die Urwaldindianer hatten Recht, Rechnen hilft nicht beim Jagen. Die Bauern hatten Recht, Lateinschule hilft nicht beim Ackern.
Sie haben heute Recht, das Studium hilft nicht beim Taxifahren.
Aber wir alle, die wir Bildung erwarben, bekommen wieder gebildete Kinder – und die Prosperität der Gesellschaft steigt.”
Meine persönliche Meinung ist, dass die (Eltern)Aussage: “Mach erstmal ne Ausbildung, damit du was sicher hast!” überholt ist. Es geht grundsätzlich nur darum, dass der nötige Ehrgeiz und Durchhaltewillen an den Tag gelegt wird um ein Studium durchzustehen. Die orientierungslose Phase nach dem Abitur ist dabei nicht hilfreich! Daher wohl so oft die Wahl auf “erstmal ne Ausbildung und Geld verdienen.”
3 Comments
Die kurz-, mittel- und langfristigen finanziellen Auswirkungen eines
Studiums verglichen mit einer Lehre lassen sich ja wunderbar aus der
Grafik ablesen. Jedoch muss ja, wie du bereits angesprochen hast,
wesentlich mehr berücksichtigt werden.
Ich als Hans Wurst, der zwar nun nicht gerade die 3 hat und doch
relativ viel frei entscheiden kann, werde nie in die Verlegenheit
kommen, zu delegieren und anzuweisen. Arbeit zu verteilen und über die
Tätigkeit anderer Kollegen zu wachen. Ohne entsprechenden Abschluss
werde ich also immer ganz unten in der Nahrungskette stehen.
Durch einen erworbenen akademischen Grad sieht dies wieder gleich ganz
anders aus. Die Aufstiegsmöglichkeiten liegen anders und die
übertragenen Aufgaben und Kompetenzen sehen doch auch ganz anders
aus.
Ich gehe stark davon aus, dass durch selbstständig betreute und
komplexe Projekte die Motivation und die persönliche Befriedigung durch
die geleistete Tätigkeit wachsen. Kann ich schwer einschätzen, da ich
eben eher nur „Kleinkram“ mache und eher Stellungnahmen abgebe anstatt
80 Seitenumfassende Pamphlet zu kreieren.
Die finanziellen Engpässe während der Studienzeit sind wohl auch
irgendwie „leichter“ nach dem Abi zu ertragen als nach der Lehre oder
wenn man inmitten seiner Arbeitswelt diese verlässt um zu studieren.
Immerhin hat man nach dem Abschluss des Abis noch nicht die Möglichkeit
gehabt sich an relativ viel Geld zu gewöhnen, was in der Regel wohl
wesentlich einfacher ist als sich eben mit weniger begnügen zu müssen.
Die Frage im Ganzen zu beantworten ob es sich lohnt oder nicht, ist
sicher nicht so einfach. Es ist wohl entscheidend wo man einmal im Leben
hin will, ob man überhaupt für ein Studium geschaffen ist und welche
Alternativen sich einem bieten.
Schön, Schön! Aber was ist, wenn man mit seinem Studium hinterher keinen Job kriegt? Lohnt sich das dann auch? Wenn ich so einen “Studieren lohnt sich”-Quatsch lese, kommt mir angesichts zwei Jähriger Arbeitslosigkeit trotz sehr guten Mathediploms sprichwörtlich die Galle hoch!
Ich rechne es mal vor:
Arbeiten im ÖD in EG9 ~ 34000 Euro brutto!
Nach 6 Jahren Studium hat man also 204000 Euro in den Gulli geschmissen!
Mit dem Studium geht man im günstigsten Fall mit +/- 0 heraus!
Der Typ der im öffentlichen Dienst arbeitet, verdient im weiteren Verlauf seines Arbeitslebens durchschnittlich 36000 Euro pro Jahr, macht bei 40 Jahren Arbeit einen Betrag von 1440000 Euro Verdienst!
Der achso gesuchte Akademiker kriegt erst nach 3 Jahren einen Hilfsjob, weil er ja keine BE hat und dort verdient er im Schnitt 20000 Euro im Jahr!
Sind bei 30 Jahren Arbeitszeit(mit Mitte 50 fliegt man eh raus!) 600000 Euro Verdienst!
Das heißt 45 Jahre ÖD
Gesamtverdienst:
1644000 Euro Gesamtverdienst
6 Jahre Studium und anschliessende Erfolglosigkeit wegen fehlender Berufserfahrung:
600000 Euro – Studienkosten
Durch das Studium schmeisst man also mehr als 1 Million Euro in den Gulli!
Tolle Idee, studieren zu gehen!
Man sollte nicht Äpfel mit Birnen vergleichen – in deinem Fall die allerbestmöglichst-erreichbare Stufe mit “normaler Ausbildung” und die Untergrenze der Eingruppierung mit FH-Studium. korrekt hätte der Vergleich E5-E9 (Mindesteingruppierung) oder E8-E12 (Höchsteingruppierung) heißen müssen. Die (“große”) E9 ist mit “nur normaler Ausbildung” praktisch kaum erreichbar, schon gar nicht für Berufsanfänger!