Der Hybridantrieb macht alles möglich: So oder so ähnlich muss es sich wohl für Außenstehende darstellen, wenn sie die Artikel lesen, welche dieser Tage so durch die Medien flimmern. Ich möchte einen dieser Artikel aufgreifen und kurz erläutern, auf welchem Niveau das technische Verständnis vieler Journalisten, Multiplikatoren und Stimmungsmacher bezüglich dieser Themen ist.
Diese Meldung kam im täglichen Newsstream vom Portal Elektromobilität, welchen ich mal als Info- und Marketingkanal für die Elektromobilität bezeichnen möchte. Betrieben wird er – ganz klar – von einer PR Firma. Der Artikel bei Spiegel Online ist folgender: Energiegewinnung beim Hinterherrollen.
Dieser Artikel suggeriert, dass dieser Wohnanhänger die “ungenutzte Energie” des drehenden Rades des hinterherrollenden Anhängers einfach in elektrische Energie umwandeln kann und damit dann die Akkumulatoren gespeist werden. Zusätzlich titelt Spiegel Online: Warum ist darauf noch keiner gekommen?
Ja, warum eigentlich nicht? Dieser Frage soll kurz und knapp auf den Grund gegangen werden.
Ungenutzte Energie
Man muss für eine korrekte Betrachtung mal die umgangssprachlichen Formen verlassen und korrekt in nutzbare und nicht mehr nutzbare Energie unterteilen. Das heißt, dass Energie die Summe aus Anergie und Exergie ist. Wenn man als Hauptaufgabe eines Fahrzeugs die Fortbewegung von A nach B definiert, dann wird die Energie des Kraftstoffs in Bewegungsenergie (Exergie) und Abwärme (Anergie) umgewandelt. Jetzt wird in dem Artikel suggeriert, dass diese ungenutzte Energie, die Bewegungsenergie, wieder in nutzbare, nämlich elektrische Energie, umgewandelt wird.
Dass das möglich ist, ist korrekt! Der Generator an den Rädern macht es möglich.
Energiefluss
Jetzt kann man sich den Energiefluss des Systems Zugfahrzeug + Hybrid-Anhänger mal anschauen. Als einfaches Beispiel kann man sich überlegen, wie es ist, wenn man beim Fahrradfahren den Dynamo ans Rad anlegt und damit fährt. Jeder wird zustimmen, dass es einen gewissen Widerstand erzeugt. Die Leistung, welche nötig ist, um mit einem Fahrzeug eine bestimmte Geschwindigkeit zu fahren, ist durch die Geschwindigkeit und die Summe aller Widerstände (u.a. Roll-, Luft-, Steigungs-, Beschleunigungs-, Schwallwiderstand) definiert.
Schaltet man jetzt einen Generator an den “hinterherrollenden Rädern” zu, so erzeugt dieser einen Widerstand an den Rädern. Er “bremst die Räder des Anhängers ab”. Damit muss das Zugfahrzeug mehr Leistung aufbringen, um den Anhänger hinterher zu ziehen.
Die Gesamtenergie, welche für die Fahrt von A nach B benötigt wird, ist einfach das Integral über die Fahrzeit.
Umso mehr Energie in die Akkumulatoren gespeist wird, umso mehr muss auch vom Zugfahrzeug erzeugt werden! Eine Ausnahme ist natürlich das Abbremsen des Gespanns, bei welchem die Bewegungsenergie ansonsten (wirklich ungenutzt) als Wärmeenergie über die Bremsscheiben abgegeben wird. Diese Fähigkeit nennt man Rekuperation und ist tatsächlich hilfreich, wie ein Test beweist.
Wirkungsgrade
Die zweite wichtige Erkenntnis ist, dass es keine Umwandlung von einer Energieform in die Andere gibt, welche zu 100% abläuft. Das heißt, dass immer Anergie erzeugt wird. Der Anteil der nutzbaren Energie (Exergie) wird also von Umwandlung zu Umwandlung, von Transport zu Transport, geringer.
Man kann jetzt die Wirkungsgrade der Hybrid-Anhänger-Sache ganz ganz grob überschlagen. Wie verläuft die Umwandlung von der Energie des Kraftstoffs bis zur Speicherung der Energie in der Batterie.
Dabei werden die Wirkungsgrade entlang einer Wirkungskette multipliziert. (Wirkungsgrade ganz grob geschätzt und nur zur Veranschaulichung)
Das heißt, will man z.B. 800Wh in die Akkumulatoren des Anhängers speisen, so muss man die 5-fache Energie (Kraftstoff im Auto des Zugfahrzeugs) einsetzen.
Und es ist nicht so, dass die Energie ansonsten “ungenutzt” ist!
Sie muss ohne Generatoren an den “mitrollenden Anhängerrädern” schlichtweg nicht erzeugt (bzw. umgewandelt) werden.
Disclaimer
Ich verurteile nicht die Idee an sich, denn wenn man sich die Mitteilung von Knaus Tabbert anschaut, dann macht einiges durchaus Sinn, was mit dem System an Features angeboten werden soll. Es geht mir einzig und allein um solche Stimmungsmacher, welche offensichtlich keine technische Ausbildung haben, dann aber Meldungen verbreiten und diese auch noch sinnfrei “verteidigen”:
So einfach, so genial!
Ähnliche Ideen mit gleicher Logik
(vielen Dank an die Kommentatoren des Spiegel Online Artikels)
Man könnte im Inneren des Wohnwagens Solarpanels anbringen und den Strom der leuchtenden Glühbirnen dazu nutzen den Akku zu laden!
Man könnte ein Windrad auf dem Dach montieren, welches dann die Akkus durch den Fahrtwind lädt!
Man könnte ein Kabel vom Hybrid-Wohnwagen vor zum Elektrofahrzeug legen und damit die Akkus des Zugfahrzeugs aufladen, dann hätte man auch viel mehr Reichweite!
Man könnte generell Elektroautos bauen, welche an der Vorderachse den Antrieb haben und an der Hinterachse Generatoren, welche die “ungenutzte Bewegungsenergie” wieder zum Laden des Akkus nutzen.
So einfach, so genial!
5 Comments
Oh ja, eigentlich muss man dann gleich 100 Wohnanhänger dahinter hängen, dann brauchen wir gar keinen Kraftstoffen einzutanken. Wenn jeder sowas machen, dann brauchen wir keine Atomkraftwerk mehr, wir haben dann die ultimative mobile Kraftwerk! So einfach, so genial! Ehmm…. ich glaube, wir müssen sofort es in das Gesetz schreiben!
Wobei ich ehrlich glaube(oder glauben will), dass manche Kommentare schlecht gekennzeichnete Ironie sind.
Also an sich die Idee find ich ziemlich gut. Der Populismus welcher da getrieben ist allerdings wieder beispielhaft. Da fällt mir nur ein: Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal Fre**e halten. Vielleicht hat ja der Autor auch einfach vergessen zu erwähnen, dass das Laden der Batterie nur im Schubbetrieb und/oder Bergabfahren Sinn macht. So ergeben sich für mich drei mögliche Betriebszustände, welche ökonomisch und somit auch ökologisch akzeptabel sind. (abgesehen von den Komfort-Modi wie Rangieren, etc)
1. Rekuperation bei Brems- und Schubbetrieb (Bergabfahrten, nicht in der Ebene!) zum Laden der Batterie. Einfach realisierbar über einen Kontakt zum Bremslicht und einen Dehnmessstreifen in der Kupplung.
2. Anfahrhilfe: mit der durch Reku gewonnenen Energie das Anfahren unterstützen. Seh ich speziell als sehr sinnvoll an, da die Kupplung schon massiv gefordert wird bei Hängerbetrieb.
3. Aufladung nach Nutzung im „Camping-Modus“. Wenn man nach 2-3 Tagen Nutzung ohne externe Stromversorgung wieder weiter fährt, läd man da die Batterien auf bis z.B. 50% um noch Reserve für die Reku zu haben.
Weiterhin sehe ich es als sehr fraglich, das die angegebenen 100W ausreichen! Angenommen ohne externe Stromversorgung und bei Kühlschrankbetrieb ohne Gas sind 100W doch sehr! unrealistisch. Wenn der Kühlschrank mit Gas läuft, könnte es hin kommen.
Die 150kg Zusatzgewicht sind allerdings auch nicht zu verachten! Sie liegen zwar günstig in Bezug auf den Schwerpunkt aber den zusätzlichen Spritverbrauch muss man da mitbetrachten.
@Roland
Wenn dem so ist, wärs ja gut. Entweder hat Spiegel abgrundtief schlecht recherchiert oder die Ingenieure haben die siebte Klasse Physik geschwänzt, was ich mir schlecht vorstellen kann, denn wer entwickelt ernsthaft ein Konzept, das wie im Artikel beschrieben funktioniert? Der Ingenieur hätte ja für sein ganzes Leben vergeigt :)
Ich denke, dass die Energie auch nur beim Bremsen gewonnen wird, alles andere macht keinen Sinn. Ist halt nur die Frage, ob der Mehrverbrauch für das Beschleunigen der Masse das trotzdem nicht wieder aufwiegt……
Die Überschrift (nebst einiger Sätze im Text) ist natürlich Quatsch, aber an den sollte man sich zwischenzeitlich gewöhnt haben. Es gibt fast keine technischen Artikel in Massenmedien, die für betroffene Techniker nicht zum Kotzen sind, weil sich Journalisten zu fein für eine Textkorrektur von einem Experten sind.
Die Idee hinter dieser Konstruktion ist wohl eher, Anhängerbremse und Energiegewinnung zu kombinieren. Sonst könnte man ja einfach vom Zugfahrzeuggenerator her laden. Anschluss muss eh dran für die Rückbeleuchtung.