Gestern war es mal wieder soweit: Eine Pressemitteilung eines Automobilherstellers hat die Gedanken eines Journalisten (Jürgen Rees) abschweifen lassen und führte zu einem “schönen” Artikel, welchen man wieder die nächsten 100 Diskussionen vorgelegt bekommt, wenn es um die Zukunft der Energiespeicherung für Elektromobilität geht. Superkondensatoren: Der bessere Energiespeicher fürs Elektroauto hieß die Schlagzeile auf Zeit Online Auto.
Natürlich, sogar die Formel 1 nutzt Supercaps für die Energiespeicherung, also muss das natürlich eine elegante Lösung sein, das Energietransportproblem für die Elektromobilität zu lösen. Man hätte den Artikel ordentlich machen können und dem interessierten Leser ein paar Fakten mitteilen können, oder eben nur ein paar Zitate und Verweise auf schon bestehenden Einsatz dieser Technik aneinanderreihen. Zeit Online hat sich für letzteres entschieden und die Physik mal wieder völlig ignoriert.
Leistung ist etwas anderes als Energie
Zwischen einer schönen Überschrift und der Realität liegen immer noch physikalische Randbedingungen, die man nicht so einfach ignorieren kann. Auch wenn das Wort Superkondensator in der Stammtischrunde wieder die Augen der bedingungslosen E-Befürworter leuchten lässt, so möchte ich doch mal auf eine technische Untersuchung dazu verweisen. Herr Büchner stellt in seiner Dissertation “Energiemanagement-Strategien für elektrische Energiebordnetze in Kraftfahrzeugen” fest:
“Aus den Messungen wurde deutlich, dass der Einsatz eines SuperCap-Moduls als zusätzlicher Energiespeicher im Kfz-Bordnetz eine interessante Variante darstellt, um dynamischen Leistungsanforderungen zukünftiger Verbraucher gerecht zu werden.”
Hier ist insbesondere das Wort “zusätzlich” nicht zu ignorieren. Der SuperCap kann nämlich vor allem eins: Er kann eine wahnsinnig hohe Leistung aufnehmen und abgeben. Deshalb auch der praktische Anwendungsfall mit der Bremsenergie. Denn die Leistung die da durch die Rekuperation aufgenommen werden soll, kann ein Akkumulator gar nicht vertragen. Geht man bei 100km/h richtig in die Eisen, so wird Energie frei, welche niemals von einem Akkumulator aufgenommen werden kann. Beispielhaft folgende überschlägige Berechnung dazu: Ein 2t schwerer PKW bremst von 100km/h auf 0km/h runter. Dann wird eine kinetische Energie von
\(E_\text{kin}=\frac{m}{2}\cdot v^2 = \frac{2000\text{kg}}{2}\cdot (\frac{100m}{3{,}6s})^2=772\text{kJ}\)frei. Der Bremsvorgang dauert bei knapp 5m/s² Verzögerung ca. 6 Sekunden, somit muss eine mittlere Bremsleistung von
\(P_\text{Brems}=\frac{\Delta E_\text{kin}}{\Delta t}=\frac{772\text{kJ}}{6\text{s}}=128\text{kW}\)von der Bremsanlage geleistet werden, welche normalerweise in Wärme an den Bremsscheiben umgesetzt wird. Soll jetzt 1/5 dieser Bremsleistung in einem elektrischen Energiespeicher aufgenommen werden, so ergebe sich bei einem 25V System ein mittlerer Ladestrom von
\(I_\text{lade}=\frac{P_e}{U}=\frac{128\text{kW }\cdot 0{,}2}{25\text{V}}=1024\text{A}\)Über 1000A Ladestrom müssen in einen Energiespeicher fließen! Das ist eine Hausnummer. Einen herkömmlichen Bleiakkumulator sollte man mit 1/10C laden. Das bedeutet, dass 1/10 der Ah als maximalen Ladestrom angemessen sind. Ein 40Ah Bleiakkumulator sollte also nur mit 4A geladen werden. Ein Li-Ion ist nicht gleich Li-Ion Akkumulator: Aufgrund der unterschiedlichen Auslegung/Konstruktion (nicht nur chemisch) kann der maximale Ladestrom von 2…20 C variieren.
SuperCaps können, im Vergleich zu Akkus, mit ca. 100 mal größeren Ladeströmen geladen werden (Hausnummer!).
Da kann der Supcap also schon unterstützen, das ist wahr. Aber auch im Mazda, mit dem neuen sogenannten regenerativen Bremssystem namens i-Eloop, wird die Energie durch das Abbremsen nur für die Speisung elektrischer Verbraucher genutzt, nicht etwa, wie in der Formel1, zum Beschleunigen.
Arbeit verrichten ist nicht leicht
Allerdings kann ein SuperCap kaum Energie in Größenordnungen speichern, wie sie zum deklarierten Nutzen “besserer Stromspeicher für Elektroautos” hier genannt sind. Wir haben an der Hochschule im Labor Elektrische Mobilität schon seit mehreren Jahren einen Porsche 911, welcher aus SuperCaps gestartet wird, allerdings sind die dann auch leer. Die hohe Leistung zum Drehen des Starters und zünden der ersten Umdrehungen bringen die, aber dann ist auch gut.
Falls eine Dissertation zu dem Thma zu komplex ist, ein Wikipedia Bild erklärt das auch ganz gut:
Die Energie, welche man aus einem Energiespeicher entnehmen kann, ist definiert nach:
\(E = \int\limits_{t_0}^{t_1} u(t) \cdot i (t) \cdot \mathrm{d}t\)Wenn man sich also versucht den Flächeninhalt unter den Kurven im oberen Bild vorzustellen, so wird klar, dass der Kondensator mit der steil abfallenden Spannungskennlinie in kurzer Zeit nur einen Bruchteil der ohnehin schon geringen Energie von Akkus speichern kann.
Etwas elektrotechnischer wird das auch anschaulich in folgendem Video gezeigt:
Energiedichte ist das A und O für mobile Energiespeicher
Man hat nämlich weder Volumen noch Gewicht auf einem Auto zu verschenken. Dazu empfiehlt sich dieses Schaubild:
Fazit
Es wird schnell klar, weshalb die Entwicklung in den letzten Jahrzehnten eindeutig in Richtung des Verbrennungsmotors getrieben wurde. Dort sind die physikalischen Grenzen allerdings ausgereizt und man ist dem idealen Carnot-Prozess offensichtlich auf ein paar Prozent nahe gekommen. Daher ist es gut, dass alle Hersteller die Ingenieure knobeln und tüfteln lassen. Entwicklung ist ja ein iterativer Prozess. Ich finde auch die Idee von Mazda mutig und gut. Den Artikel von Zeit Online bzw. Wirtschaftswoche finde ich allerdings nicht gut, weil er überhaupt nichts erklärt, sondern nur irgendwelche Interviews und Anwendungsfälle aneinander reiht.
Porsche ist auch an einem System dran, testet aber offensichtlich mit mechanischen Schwungradspeichern, welche eine höhere Energiedichte als die elektrischen Supercaps haben. Der Serienstart ist nah und wir werden in den nächsten Jahren interessante Konzepte erleben.
19 Comments
Lieber Herr Balzer,
Ihr Artikel ist ingenieurgerecht. M.E. gibt es den “interessierten Leser” garnicht. So miserabel wie auf Zeit Online sind oftmals auch die Artikel in den VDI-Nachrichten. Alles nur GRÜN.
Ihren Artikel habe ich richtig genossen.
Mit freundlichen Grüßen
Werner Pütz
Vielen Dank Herr Pütz!
Schöner Artikel, der die Vorteile von SuperCaps als Energiezwischenspeicher aufzeigt.
Aber ich glaube, hier liegt ein Missverständnis vor.
SuperCaps sollen Akkus nicht ersetzen, sondern nur die Energie aus Energierückgewinnung aufnehmen und puffern.
Zur Energieerzeugung onboard – v.a. Fuelflex – würde man dann doch Freikolben nehmen
Aber ich fürchte so ein einfaches, energiesparendes Fahrzeug (microhybrid), dass dann auch noch ein paar km rein elektrisch zurücklegen kann (zum Supermarkt) passt nicht in die Planung von Porsche
Da packt man lieber noch 200-300kg drauf und baut ein schwungrad ein … wahrscheinlich zusätzlich zum Akku, was dann gut 600 kg Mehrgewicht ausmacht
Hey Paul, gut geschrieben ;). Schau mal nach dem Ragone Diagramm. Grüße Ecke
Fortsetzung von Cleanthinking: Meine Frage beantwortet es nicht. Die Frage war: Wie viel Energie geht in einem typischen Szenario durch den “fehlenden” Kondensator bei der BMW Loesung verloren?
Die Diss hilft da leider auch nicht weiter, da geht es eher um die Stabilisierung der Bordnetzspannung – wenn ich es recht verstanden habe. Klar: Auch eine Hilfe, ist aber ein klein wenig in anderes Thema.
An der Stelle, die mich eigentlich interessiert, ist ihr Artikel auch ein wenig seltsam:
“Geht man bei 100km/h richtig in die Eisen, so wird Energie frei, welche niemals von einem Akkumulator aufgenommen werden kann” .
Was soll das bedeuten? Die meiste Energie davon landet in Form von Wärme in der Bremsanlage.
Somit ist es egal, ob diese von einem “Akkumulator” aufgenommen werden kann.
Ein kleiner Teil davon treibt die Lichtmaschine als Generator an. Die liefert Energie: Wie viel? Von welchen Stromstärken sprechen wir hier? Wie viel davon kann durch die bei der reinen Akkumulatorlösung aufgenommen werden und wie viel von der Kondensator + Akkumulator. Das ist doch der spannende Punkt.
Hallo Stsaunender,
vielen Dank für die berechtigte Kritik, ich habe an der Stelle noch mal nachgebessert. Ich hoffe jetzt sind ein paar Anhaltswerte zu finden, die eine Hausnummer darstellen.
Ich arbeite ja nicht in der Industrie um da reale Werte heraus zu bekommen, somit kann ich nur Pi*Daumen schätzen.
Viele Grüße, Paul
Die Überschrift des Artikels ist dann aber dann doch wieder falsch gewählt.
Für Elektromobilität sind SUperCaps nur wenig geeignet, wegen der geringeren Speicherdichte gegenüber Akkus. Dafür sind sie umso mehr geeignet in einem Hybrid. Nicht nur wegen den Schnellspeicherfähigkeit (Rekuperation), sondern v.a. wegen der erheblichen Gewichtsersparnis gegenüber Akku. Zusätzlich wird der Motor im Hybrid zu einem passiven Rangeextender (Simplify, kein Getriebe). Insgesamt ergibt das dann ein Auto, dass auch preislich wieder attraktiv wird <10000 Euronen
Der Autor denkt eben wie ein Ingenieur. Er denkt: Elektro und Reichweite .. wer bitte hängt sich in einer EU mit EEG 100% an die Steckdose ? .. Nur ein Wahnsinniger würde das tun. Global gibt es diese hysterische Diskussion rund ums Elektroauto ohnehin nicht. Man fährt mit Benzin … und die meisten Schwellenländer fangen damit erst an. Unterdrückt vom Westen, sehen sich Schwellenländer gerade auf dem aufsteigenden Ast (siehe Brasilien, Venezuela, Indien, arabische Länder etc.). Die Aufgabe ist also nicht rein Elektro … sondern Optimierung der Verbrennung auf der nördlichen Hemisphere (Ölunabhängigkeit) – immer weniger Öl wird ankommen… es wird einfach von den demographisch stark wachsenden ölprodzierenden Länder selbst verbraucht. Was wir also brauchen ist Multifuel. Zu letzteren gibt es die unterschiedlichsten Konzepte. Verzichtet man auf Getriebe (serieller Hybrid) dreht sich alles um Gewichtsersparnis (SuperCaps, Carbon), Rekuperation (Schnellladefähigkeit) und darum wie man dann die 5-20kw passiv erzeugt Der 5-20kw werden wahrscheinl modular
Nun, vieles was gesagt wurde ist richtig und unrichtig, wichtig ist, man redet nicht von heutigen Supercaps sondern von denen in naher Zukunft , die bereits in der Entwicklung sind. Diese haben eine Kapazität ählich wie Li-ion und sind aus einem reichlich verfügbaren Material, Kohlenstoff.
Grüße
René
> Ich finde auch die Idee von Mazda mutig und gut.
Welche Idee denn genau?
Das regenerative Bremssystem namens i-Eloop
> Falls eine Dissertation zu dem _Thame_ zu komplex ist,
Typo.
Danke, ist gefixt
Haben sie aich die grossen Vorteile von Physikalischen Stromspeichern erkannt?
Millionenfaches laden bei jeder Temperatur, umweltfreundlich, da keine Chemische Umwandlung sattfindet.
In Australien wird bereits über Graphenspeicherplatten berichtet. Das dürfte meiner Ansicht nach die neue Generation der Physikalischen Stromspeicher werden. Wir haben dazu die Elektronik, mit der diese Speicher ganz gezielt be und entladen werden können.
MfG
Bernd Hermann
Haben sie auch die großen Vorteile von Physikalischen Stromspeichern erkannt?
Millionenfaches laden bei jeder Temperatur, umweltfreundlich, da keine Chemische Umwandlung sattfindet.
In Australien wird bereits über Graphenspeicherplatten berichtet. Das dürfte meiner Ansicht nach die neue Generation der Physikalischen Stromspeicher werden. Wir haben dazu die Elektronik, mit der diese Speicher ganz gezielt be- und entladen werden können.
MfG
Bernd Hermann
Hallo Herr Balzer,
danke für Ihren interessanten Artikel, der aber auch irrtümliche Betrachtungen enthält:
Ein (sehr schwerer) 2-Tonnen PKW benötigt bei Tempo 100 ca. 25 kW Leistung gegen die Fahrwiderstände und Eigenverluste, d.h. im Mittel zwischen 0 und 100 km/h vielleicht 10 kW. Von 128 kW abgezogen bleiben 118 kW. Bei einem E-Golf oder Zoe wäre es eher 1,6 Tonnen PKW wären es 102 kW und damit nach Abzug der Fahrwiderstände etwa 92 kW
Ein E-Auto-Bordnetz hat sicherlich 250 – 800 Volt Systemspannung und nicht 25 Volt. Daher lautet die Rechnung 92 kW / 400 Volt, bleiben also maximal 295 Ampere.
Nun gibt es ja PKW-Ladestationen (z.B. Tesla), die mit 135 kW Ladeleistung arbeiten. Deutsche CCS-Lader sind mit 50 kW spezifiziert, mit der Option auf bis zu 150 kW. Ob der Aufwand für die 6 Sekunden-Ladung aus der Energie einer Vollbremsung unbedingt in den Akku rücktransferieren muss, möchte ich mal anzweifeln. Wie wenige Vollbremsungen macht man den pro Tag und wieviele geringe bis mittlere Bremsungen?
Bei herkömmlichen E-PKW geht man von Rekuperations-Rückgewinnen von ca. 5-10 % der Bremsenergie aus. Hier ist also noch Luft nach oben, eventuell ja mit Super-Kondendensatoren. Eine schöne Ingenieur-Aufgabe!
Korrektur: 230 Ampere